Donnerstag, 18. September 2014

Mzungu Mzungu!

Mzungu Mzungu!


So sehr ich Afrika und das Leben hier liebe, es gibt Schattenseiten. Eine davon ist in einem Wort zusammenfassbar: mzungu. 
Mzungu heißt im Grunde Europäer, wird aber eher für alle Menschen benutzt, die weiß oder generell fremd sind.
Ist man also ein Mzungu in Afrika, bedeutet das in erster Linie drei Dinge: a) man ist eine Attraktion und kann nicht durch die Stadt laufen, ohne hunderte neuer "Freunde" zu finden, b) wird man generell und immer anders behandelt, in guter wie schlechter Weise, wobei auch die gute Weise nicht unbedingt so gut ist und c) bezahlt man Mzungupreise.
Ich führe das mal aus.
Zu a): als Mzungu bist du interessant, weil anders, hast vermutlich mehr Geld und sprichst bestimmt auch Englisch. Das sind so die Hauptgründe, warum jeder dein Freund sein will. Die nette Seite daran: man trifft viele nette Menschen. Die schlechte: wenig davon sind wirklich an dir interessiert, so werde ich z.B. seit geschlagenen 5 Wochen von dem immer gleichen Verkäufer überschwänglich in Tansania begrüßt. Ihm fällt und fällt einfach nicht auf, dass ich schon 5 Wochen hier bin, stattdessen bin ich für ihn jedes Mal ein neuer Tourist, dem er dringend was verkaufen will. Es gibt durchaus wirklich nette Leute, die es einfach interessant finden, mit jemandem zu sprechen, der andere Erfahrungen hat oder der ihnen dabei helfen kann, ihr Englisch zu verbessern. Leider ist man aka. ich aber gelegentlich so genervt vom 16. Hinterherrufenden, dass es gar nicht erst zum Gespräch kommt. Ist dies doch der Fall, so passiert es erstaunlich oft, dass der Betreffende dir entweder nur was verkaufen wollte, sich unsterblich in dich verliebt hat oder dich fragen wollte, ob du ihm ein Bier kaufst. Wie gesagt, es gibt auch andere aber auch unter denen, die ich inzwischen als Freunde bezeichnen würde gibt es gelegentlich interessante Verhaltensweisen wie z.B. die allgemeine Annahme, du zahlst alles. So sitzt man beispielsweise in einer Bar und gönnt sich ne Cola und wenn die Rechnung kommt wird nicht etwa gefragt, ob du das vielleicht übernehmen könntest, weil das Gegenüber grade sein Geld nicht dabei hat, sondern das Gegenüber schaut dich einfach an und sagt "du hast meine Cola aber noch nicht bezahlt". Passiert leider viel zu oft, was mich zu Punkt b) bringt. Mzungus SIND anders, sie HABEN meist mehr Geld und deswegen wäre es ja auch vollkommen in Ordnung, wenn man gelegentlich mal die Rechnung übernehmen würde. Was mich daran stört, ist die absolut feste Annahme, dass sie es tun müssen. Aus einer Freundschaft wird plötzlich ein Ungleichgewicht und auch in einer Nicht-Freundschaft wird man einfach anders behandelt. Und hier wirds interessant: es gubt nämlich beide Varianten: man wird besser ODER schlechter behandelt. Der Mzungupreis (c) ist natürlich tausendfach höher, was auf der einen Seite irgendwie berechtigt ist, denn auch wenn ich pleite bin, hab ich zumindest ein Konto, auf dem ich ins Minus gehen kann und immerhin konnte ich mir den Flug hierher leisten also habe ich OBVIOUSLY mehr Geld als die meisten Locals hier und es ist doch irgendwie fair, dass ich für Zigaretten nicht 2000 tsh (1€) zahle, wie ein Local, sondern 4000 (2€), was ja nun immernoch sehr viel billiger ist als in Deutschland. Wenn ich allerdings 12000 (6€) statt 2000 (1€) zahlen soll, ist das doch nun wirklich übertrieben. Außerdem geht es ja nicht unbedingt ums Geld, sondern um den Unterschied, der aufgrund von Hautfarbe und co. gemacht wird. Touripreise mögen fair sein, Hautfarbenpreise aber nicht, schließlich gibt es genug Menschen, die hier leben und arbeiten (wohlgemerkt für das selbe Gehalt wie alle) die dann trotzdem die "Weißenpreise" zahlen müssen und eben NICHT mehr haben. Auch auf der "positiven" Seite gefällt mir der Unterschied nicht. Ich möchte keine Extrabehandlung aufgrund meiner Hautfarbe. Es ist nett, den besten Platz im Bus zu bekommen aber es ist nicht nötig, dass dafür jemand anderes aufstehen muss, weil ich halt weiß bin. Ein anderes Beispiel: zur Begrüßung sagt man bei älteren Personen "Shikamoo" was so viel bedeutet wie "I hold your feet". Sind die Personen gleichaltrig aber eine Person ist weiß, so wird diese mit Shikamoo angeredet, da (Zitat) "weiß höher gestellt ist". Es ist unglaublich schwierig, den Menschen hier klarzumachen, dass ich weder besser noch schlechter bin als sie, nur weil ich eine andere Hautfarbe habe. Interessant? irgendwie noch verständlich, da es einfach nicht sooo viele Weiße hier gibt. Aber es ist wirklich zu viel des Guten, man wird auf Schritt und Tritt beobachtet und verfolgt, angequatscht und wie gesagt die Behandlung selbst unter Freunden ist unglaublich anders. 
Der Begriff Mzungu an sich ist irgendwie ein Phänomen. Ich kenne nicht einen Weißen, der das gerne hört. Untereinander reden wir uns spaßeshalber selbst manchmal so an aber von Fremden gibt einem der Begriff doch immer das Gefühl, anders und verurteilt zu sein. 

Die Locals hingegen betonen ALLE, dass der Begriff super nett gemeint ist. Ich glaub ihnen das auch, nur wäre mir Gleichbehandlung sehr viel lieber als Ausgrenzung, wenn auch "nette". 
Ein kleines bisschen erinnert mich der Begriff an den bösen bösen N-Begriff: untereinander okay aber wehe, jemand anders sagt das. Man stelle sich die Reaktion vor, ich würde auf Mzungu in gleicher Weise mit dem N-Begriff antworten. Oder ich würde auf Berlins Hauptstraße einem Menschen anderer Hautfarbe dieses Wort hinterherrufen. Ein Skandal wäre das mindestens. Zugegeben, man muss unterscheiden, da der N-Begriff besonders wegen seiner Geschichte ein Unwort ist. Eins zu eins ist das also nicht zu vergleichen aber doch auf einer Ebene vergleichbar: es sagt aus "du bist anders als ich und das sage ich, ohne dich zu kennen, aufgrund deiner Hautfarbe. Du bist anders und ich werde dich deswegen anders behandeln" nett gemeint oder nicht, das ist eine Form von Rassismus, das Blöde ist nur, dass das hier einfach nicht so gesehen wird. Viele haben keine Ahnung von political correctness (manchmal durchaus angenehm aber in diesem Fall eben nicht) und denken nicht darüber nach, was sie eigentlich damit aussagen bzw. wie das bei ihrem Gegenüber ankommt. Sie meinen es nett, also ist es das.
Eine Bekannte, die hier geboren und aufgewachsen ist, schloss neulich ihr Fahrrad an einem Baum ab, der neben einer Hochzeitsgesellschaft stand. Der Fotograph, der gerade die Braut fotografierte, drehte sich blitzschnell um und begann meine Bekannte zu fotografieren. Ihr platzte der Kragen und sie rief auf Swahili "Glückwunsch! du hast den Mzungu entdeckt! Wen interessiert die Braut oder dein Job, Hauptsache, du hast den Mzungu und sein Rad im Kasten!" der Fotograf war beschämt und die Gäste lachten, ich bezweifle, dass er den Grund für ihre Wut verstanden hatte.
Als mir vor einigen Tagen der 23. Mann "ey! Mzungu!" hinterherrief, war es auch mir zu viel, ich drehte mich um, ging auf ihn zu und fragte ihn, ob er wirklich denke, es sei besonders nett, mir glasklar mitzuteilen, dass ich eine andere Form von Mensch sei als er. Er verstand nicht, worauf ich hinauswollte und brabbelte weiter, warum ich denn sauer sei. Gleichzeitig ging ein anderer Mann vorbei und grüßte mich mit "ey, rafiki" ich grüßte zurück und der Mzungu-caller fragte eingeschnappt, warum ich dem gegenüber netter sei als ihm. "weil er mich Freund nennt und nicht Ausländer" antwortete ich. Ich bezweifle auch hier, dass er den Unterschied verstanden hat.
So sehr es nervt, so interessant ist es auch. Gerade der Vergleich Deutschland/Afrika. Würde bei uns so ein offener Unterschied gemacht aufgrund von Nationalität (was heißt würde, passiert ja durchaus auch also: wenn dieser Fall bei uns eintritt) gibt es Schlagzeilen und Forschergruppen, Statements und Lösungsversuche, wie man den Rassismus bekämpfen kann. Passiert es hier ist es eben nett gemeint und in mir grummelt es still vor sich hin, bis ich den nächsten schlechten Tag hab und es an einem armen Einzelnen auslasse.
Das nennt man dann wohl "unterschiedlichen kulturellen Verstehensboden".

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