Wenn man für längere Zeit in Afrika ist, kommt man um ein Thema nicht herum: Korruption.
Dieser fiese Schlingel ist quasi allgegenwärtig und überall und begegnet einem öfters mal auf der Straße.
Polizisten, die sich Regeln ausdenken, die nicht existieren, damit Touris und Mzungus oder auch Locals blechen müssen, Politiker, Richter oder andere Machtpersonen, die sich kräftig für ihre Meinung oder Stimme zahlen lassen und Haufen an Geld, das niemals da ist oder bleibt bzw. ankommt, wo es eigentlich hingehört, sei das der Straßenbau, die Entwicklungshilfe oder die Urlaubskasse.
Gut, was Korruption ist und dass es sie in Afrika zu Hauf gibt, sollte bekannt sein. Was ich viel interessanter fand: wie verschieden Einheimische und Ausheimische darüber reden. Der folgende Dialog basiert auf mehreren Gespräche mit (A) Reisenden und Volunteers und (B) Einheimischen, die auch hier geboren wurden. C darf man sich dabei als Moderator und Mediator vorstellen, der ächzend versuchte, beide Gruppen zusammen zu bringen. C wird übrigens auch Leonie genannt.
Ich habe versucht, all die Gespräche in ein einziges zu packen, um die unübersehbaren Unterschiede der verschiedenen Seiten in etwa so deutlich zu machen, wie sie es sind, wenn man hier vor Ort ist.
Damit auch niemand gelangweilt ist, ist das ganze nett und Grabbeltischfertig verpackt in eine Art Geschichte ;)
P.S.: ja, die Sätze wurden gelegentlich überspitzt und nein, sie sind nicht vollkommen ausgedacht und an den Haaren herbei gezogen.
B hat ein Problem. Sein Land wird von der Korruption beherrscht. Das ist allseits bekannt, wie gut nur, dass A immer eine Lösung parat hat:
"Eine größere Idee muss her!" , schrie sie.
"was denn für eine Idee?", forschte C nach, während B ganz zerknautscht in der Ecke saß und so gar nichts von neuen Ideen hören wollte.
"Eine grooooße Idee! Die Menschen müssen eine Idee der Zukunft haben und diese dann mittels einer Revolution anzetteln und durchsetzen!", polterte A.
B rollte mit den Augen und überließ C das weitere Gespräch:
"Schön und gut A, aber lass mich dir zwei Fragen stellen: 1.: ist eine Revolution denn immer gut und kann sie immer etwas zum Besseren bewegen? Schau dir doch nur den arabischen Herbst an, sind die jetzt alle hippihappy?"
"Jaaaaa, natürlich geht das nicht immer gut aber immerhin tun sie was und irgendwo muss man ja anfangen, vorher kann man das Ende eben nicht wissen. Ws ist deine zweite Frage?"
"Also gut, lass uns annehmen, eine Revolution wäre der einzig richtige Weg, die Korruption zu stoppen. Wie genau soll das ablaufen?"
"Easy! man macht den Leuten halt klar, dass sie die Korruption nicht unterstützen dürfen. Wenn keiner zahlt, können die Korrupten nichts machen. Aber es müssen ALLE mitmachen."
"Wie bekommst du alle dazu und wichtiger: wie erfahren alle davon?"
"ich sage es ihnen"
"du gehst allein in alle Dörfer und sprichst mit allen 47,78 Millionen Menschen des Landes?"
Dies entlockte sogar dem entmutigten B ein Grinsen und er gesellte sich zu den Diskutierenden.
"Nein", wendete A ein, "aber ich kann es ja in die Zeitung schreiben."
"was machst du dann mit den 20-30% Die nicht lesen können?" , meldete sich B erstmals zu Wort. Glücklicherweise war er einer der Gebildeten Afrikaner, die sogar im Ausland studiert hatten und neben Swahili nicht nur Englisch, sondern auch noch eine weitere Fremdsprache sprechen konnte.
A überlegte kurz.
"die erfahren es von den anderen."
"dann entsteht ja gleich die nächste Abhängigkeit", stöhnte B und verkroch sich zurück in seine Ecke.
"wäre es nicht besser, direkt alles daran zu setzen, alle so zu bilden, dass sie sich ihre Informationen gleich selbst beschaffen können? ich meine: vorerst die grundlegende Bildung sichern, so dass alle Englisch und lesen und schreiben können, damit sie sich dann selbst über die große Idee informieren können? ", schlug C mit besorgtem Blick in Bs Ecke vor.
"Ach Bildung Bildung Bildung! immer höre ich das! es geht nicht darum, lesen zu können, es geht darum, die Idee zu verstehen und dafür zu kämpfen!"
"Aber wie sollen sie verstehen, ohne Bildung, ohne Wissen, ohne Information?", schrie B fast schon hysterisch aus seiner Ecke heraus.
A hatte nun fast sein Gesprächsziel erreicht. Schließlich wollte sie zeigen, wie viel besser sie es wusste.
"Na, wir sagen es ihnen doch! "
"Moment mal", warf C dazwischen, "wenn keine Möglichkeit besteht, sich selbst zu informieren, da man z.B. nicht lesen kann und nicht selbstständig an Informationen heran kommt, dann glaubt man aber doch immer nur das, was einem erzählt wird."
"eben und wir erzählen ihnen ja von der Korruption", brüstete sich A.
"und was, wenn jemand anderes vorbeikommt und ihnen das Gegenteil erzählt? woher sollen sie wissen, welches die richtige Wahrheit ist?"
A überlegte einen Augenblick und sagte dann: "Naja, da müssen wir eben schneller sein. Meinetwegen können sie ja auch lesen lernen aber es ist wichtig, dass wir ihnen erzählen, was sie falsch machen!"
B schaute auf.
"Was WIR falsch machen?"
"Richtig."
"Hast du nicht gestern bei einem Ausflug dem Polizisten Geld gegeben, weil du zu faul warst, dir eine gültige internationale Fahrerlaubnis zu besorgen? Trägt das nicht auch zur Korruption bei?"
A gönnte sich einen großen Schluck Konyagi.
"Schon", sagte sie und stand auf, "aber das Land muss sich ja erstmal selbst helfen, ich kann ja nun nicht allein kämpfen."
Dann verließ sie den Raum und B kroch geknickt zurück an den Tisch zu C, die sich inzwischen angesichts all dieser Widersprüche die Unterlippe zerknautschte.
"Ach C, tut mir leid, ich wollt die A gar nicht beschuldigen, ich mach's ja selbst nicht besser und weiß das dazu noch"
C sah B fragend an und der fuhr fort: "ich sitz ja selbst im Parlament, du ahnst ja nicht, was da abgeht. Abstimmungen sind keine Abstimmungen, sondern nur Bestätigungen der amtierenden Machtinhaber. Mir wird richtig schlecht, davon ein Teil zu sein, ich wollte doch eigentlich dagegen arbeiten. Aber ich will doch meiner Familie eine bessere Zukunft ermöglichen und dafür brauch ich das Geld."
"Wäre es denn keine bessere Zukunft, wenn es dem Land besser gehen würde?"
"Doch sicher, auf lange Sicht. Doch für meine Kinder und Geschwister dauert das zu lang. So ist es doch immer. Jeder, der an die Macht kommt, sammelt Geld wo er nur kann und mit allen Mitteln damit er seine Kinder ins Ausland schicken kann. Denn die wissen doch alle ganz genau, dass ihre Kinder hier keine Chance haben. Außerdem wissen sie, dass sie, sofern sie nicht zu den oberen 10.000 gehören, nicht wieder gewählt werden, sobald sie einmal Geld veruntreut haben. Da sie das aber ja haben, wegen der Kinder, können sie sicher sein, nächste Amtszeit nicht mehr im Amt zu sein. Was bleibt ihnen also anderes übrig, als so viel einzustecken, wie möglich, denn es ist ja die einzige Chance für die nächsten paar Jahre. Die, die unter ihnen stehen, kriegen den Dreck ab und krallen sich deswegen von denen, die unter ihnen stehen wieder etwas und die, von denen, die unter ihnen stehen und so weiter, bis der Ärmste von uns das Letzte geben muss, was er noch hat. Wir alle wissen, dass das falsch ist und wir alle wissen, wo die Probleme liegen. Doch wir wissen im Gegensatz zu A auch, dass der Kampf länger als ein Leben dauert. Wer es geschafft hat, so weit hochzuklettern, dass er dem Land helfen könnte, der braindrained schnellstmöglichst weg. Wir wollen uns nicht für dieses Land opfern, wir träumen von einer besseren Zukunft aber für uns, nicht für das Land. Viele haben das Land aufgegeben und kämpfen nur noch für sich und die Familie. Wir sind müde. Wir haben alle Ressourcen und Hilfe von Außen. Doch wir fallen immer wieder in die gleichen Spiralen."
Eine lange Pause entstand.
"Was würde helfen?", fragte C schließlich.
"Ich weiß es nicht,", antwortete B resigniert, " aber zu allererst müssen wir dafür Sorgen, dass alle Menschen im Stande sind, sich selbst zu informieren, sie müssen lesen können und ihre Rechte kennen. Das mag die Situation nicht ändern aber vielleicht ändert es die Zukunft."
Wie gut, dass die, die wissen, machtlos und müde sind und die die kämpfen, nicht verstehen........
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